Anders als Märchen lassen sich Sagen konkret verorten; ähnlich wie Legenden haben Sagen häufig einen historischen Kern. Das gilt auch für viele der Sagen, die Dirk Sondermann in seinem Buch „Bochumer Sagen“ zusammengetragen hat, das unlängst in überarbeiteter und erweiterter Neuauflage erschienen ist. Auch das direkte Umfeld der heutigen Hustadt ist Schauplatz einer Sage.

Der historische Hintergrund der Sage um den Bergmann und Räuberhauptmann Korte, der vielleicht in Stiepel oder Weitmar, möglicherweise aber auch an der heutigen Eulenbaumstraße an der Peripherie der Hustadt lebte, ist der Zusammenbruch der Kohle-, Eisen- und Industrieproduktion im Jahre 1857. Im Grunde war es damals nicht anders als heute: Internationale Finanzkrisen hatten und haben vor Ort ganz konkrete Folgen.

Korte selbst hatte immerhin noch einen Arbeitsplatz als Bergmann, aber er konnte es nicht mit ansehen, wie die Kinder arbeitsloser Eltern um Brot bettelten. Auch seine Frau hatte ein gutes Herz und packte ihm zusätzliche Butterbrote ein, die er an die Notleidenden verteilte. Obwohl seine Kollegen und ihre Frauen dem Beispiel der Kortes folgten, waren die milden Gaben doch nur der berühmte „Tropfen auf den heißen Stein“.

Deshalb sannen Korte und seine Freunde nach einer nachhaltigeren Lösung des Problems – und wandelten auf den Spuren Robin Hoods: Reiche Zechenaktionäre, Großbauern und Kaufleute wurden bestohlen und die erbeuteten Lebensmittel an Bedürftige verteilt, die sich fortan über Brot, Obst und Gemüse freuen durften, die nachts in Kisten verpackt vor die Häuser armer kinderreicher Familien gestellt wurden.

Die Meinungen über diese Form der Umverteilung waren gespalten. Die Bestohlenen schritten zur bewaffneten Gegenwehr, allerdings ohne Erfolg. Daher wurde eine Belohnung ausgesetzt und der wackere Bergmann Korte wurde daraufhin an die Polizei verraten. Die Ehefrau des Beamten sympathisierte jedoch mit Korte und warnte dessen Frau. Korte gelang es, sich zu verstecken, und seine Diebeszüge zugunsten der Armen gingen weiter.

Buchtipp

Dirk Sondermann: Bochumer Sagen. Gimmerthal-Verlag (ISBN 978-3-00-066534-9).